Wann immer das Mädchen ihre phantasievollen Gedanken äußerte, wobei ausnahmslos Schönes und Gutes in aussdrucksstarken und begeisterten Worten aus ihr heraussprudelte, war die Ermahnung der „vernünftigen“ Erwachsenen nicht weit! „Pass nur auf! Die Welt ist nicht nur schön und einfach! Das Leben ist hart und erbarmungslos und man muss kämpfen!“ Diese Worte verursachten schon in ganz frühen Tagen eine übergroße Wachsamkeit und Vorsichtigkeit, was schließlich doch in einer übertriebenen Zurückhaltung mündete, verstärkt noch durch Bemerkungen der Mutter, die immer wieder von „vornehmer Zurückhaltung“ sprach.

So schrieb sie ihre schönen Gedanken in Hefte und zeigte diese niemandem. Später wurden Gedichte daraus und in dieser Form, an geeigneter Stelle vorgetragen, wurden sie auch anerkannt. Aber es war immer irgendwie ein Luxus, nicht zum normalen Leben gehörend, ein nettes Beiwerk für Mußestunden, irgendwie überflüssig, wenn auch schön.

Nun in den alten Tagen, da eine gewisse Lebenserfahrung weise gemacht hat, das Beobachten der Gesellschaft manchmal mehr als ein Kopfschütteln auslöst, wird diese Flucht ins Schöne zur Befreiung, zur Rettung, damit man nicht ganz hinabsinkt in das Normale der täglichen Berichterstattung. Es scheint ja nur mehr Streit zu geben, Korruption, Verunglimpfung, Betrug und ein Gegeneinander-Ausspielen. Es gibt da nur mehr Polaritäten, kein Dazwischen! Etwas ist richtig oder falsch und diese Gegensätze werden lautstark ausgetragen und alle möglichen Rechtsmittel werden erfunden, um das offiziell zu unterstreichen und ordentlich austragen zu können. Und die Vorwürfe sind oft so absurd und grotesk, undurchschaubar und oft widersinnig – aber Anklagen stehen im Raum und werden bis zu einem bitteren Ende durchlaufen….

Da kann man nur noch flüchten, hinein in schöne Klänge, bunte Farben und zauberhafte Geschichten. Nun wusste sie: ich bin angekommen! Nun habe ich meine Bestimmung gefunden: Reines und Schönes kreieren und diejenigen Menschen damit erfreuen, die es zulassen und nicht im allgemeinen Morast der Hässlichkeit verkommen wollen.

© 2021 Prof. Ilse Storfer-Schmied